02.06.2023
Therapeutinnen des Marsberger St.-Marien-Hospitals arbeiten mit Wissenschaftlern aus Steinfurt zusammen
Ein Team aus dem Labor für Biomechatronik der Fachhochschule Münster hat zusammen mit Therapeutinnen des St.-Marien-Hospitals in Marsberg einen automatisch fahrenden Rollstuhl entwickelt: eine mobile Sitzgelegenheit für Patienten, die wieder laufen lernen müssen.
Bei der Gangschule lernen Patienten, die zum Beispiel einen Schlaganfall erlitten haben, wieder zu gehen. Mithilfe ihrer Therapeutinnen und eines Rollators gehen sie einen Schritt nach dem anderen. Doch wenn sie erschöpft sind, bedarf es schnell einer Möglichkeit, sich hinzusetzen.
Ergotherapeutin Marion von Rüden und Physiotherapeutin Kristin Schulte, beide tätig im St. Marien-Hospital Marsberg (MHM), führen bei der Gangschule in der Regel einen Rollstuhl mit sich, um eine mobile und flexible Sitzgelegenheit zu schaffen. Doch den Rollstuhl durch die schmalen Klinikgänge zu manövrieren und dabei noch den Patienten sicher zu begleiten, ist manchmal mühsam.
Deshalb haben sie sich an den Fachbereich Physikingenieurwesen der Fachschule Münster gewandt: Gibt es eine Möglichkeit, eine Vorrichtung zu entwickeln, die eine automatische Mitführung einer Sitzgelegenheit während der Gangschule ermöglicht? Das Team um Prof. Dr. David Hochmann vom Labor für Biomechatronik hat sich der Aufgabe im Projekt „MoRe: Mobilitätsuntersuchung in der Rehabilitation“ angenommen. Student Leon Wösting hat dafür im Rahmen einer Forschungsarbeit im Masterstudiengang Biomedizinische Technik einen Aufsatz für handelsübliche Rollstühle konzipiert, der mithilfe eines Sensors automatisch hinter den Patienten herfährt.
Möglich ist dies, wenn die Patienten ein extra angefertigtes, grün- und pinkfarbenes Schild mit einem Klettgurt um die Hüfte tragen. Dies erkennt ein Kamerasensor. Mit diesen Informationen kann ein Mikrocontroller den Rollstuhl so ansteuern, dass er den Patienten auf Schritt und Tritt folgt. „Das System übernimmt die Abstandsmessung und Richtungsbestimmung. Es bremst automatisch, wenn die Patientinnen und Patienten stehenbleiben“, erklärt Wösting. Gemeinsam mit Hochmann und Andre Hanekamp hat er einen Standardrollstuhl mit zwei Motoren und dem kamerabasierten Kontrollsystem ausgestattet. „Das System ist modular und kann an Rollstühle verschiedener Hersteller angebracht werden“, so der 23jährige. Zudem ist der Rollstuhl zusätzlich gesichert, damit er beim Hinsetzen nicht zurückrollt.
Durch die Motoren verfügt er – zusätzlich zu den konventionellen Handbremsen – über ein Gegenmoment, ähnlich der Motorbremse beim PKW. Da die Motoren die Räder unabhängig voneinander ansteuern, ist der Rollstuhl zudem sehr wendig – bei den schmalen Klinikgängen eine vorteilhafte Eigenschaft.
„Der Rollstuhl hilft den Therapeutinnen, sich auf die Patienten zu konzentrieren statt auf die Sitzgelegenheit", sagt Wösting. Das bestätigen Marion von Rüden und Kristin Schulte: „Es ist toll, dass das Problem wissenschaftlich angegangen worden ist. Wir sehen darin eine Möglichkeit, Therapeutinnen und Therapeuten langfristig zu entlasten.“