16.05.2023
Kristin Diekmann arbeitet im Medizin-Controlling des St.-Marien-Hospitals. Mit ihrer Stammzellenspende hat sie einem Amerikaner ein zweites Leben geschenkt. Sie hat aufgeschrieben, was nach dem Anruf der „Deutsche Knochenmarkspenderdatei“ (DKMS) passierte:
Als ich mich vor etwa sieben Jahren bei der DKMS
registrierte, hielt ich es für unwahrscheinlich, jemals kontaktiert zu werden.
Meine Motivation für die Spende? Als gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin
habe ich ein Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen. Und: Meine Großmutter hatte
vor 40 Jahren Leukämie. Sie stand vor einer notwendigen Stammzellenspende und
musste die Erfahrung machen, dass ihr Bruder nicht spenden wollte. Sie hat die
Krankheit überlebt und ist mittlerweile 78 Jahre.
Zusage steht
Ich wurde von der DKMS per Telefon und Email
kontaktiert. Meine registrierte DNA würde gegebenenfalls für eine notwendige
Stammzellenspende infrage kommen. Ich wurde gefragt, ob ich weiterhin bereit
wäre, Stammzellen zu spenden. Im ersten Moment war ich total aufgeregt. Für
mich war allerdings sofort klar, dass ich weiterhin dazu bereit wäre. Im
direkten Anschluss wurde mir ein ausführlicher Fragebogen per Email zugesendet,
den ich schnellstmöglich ausfüllen musste. Der Fragebogen wurde von Ärzten der
DKMS überprüft und ich wurde zur Blutentnahme freigeschaltet. Mit der folgenden
Blutentnahme wurden weitere, notwendige Übereinstimmungen überprüft.
Gleichzeitig wurde mein Bruder ebenfalls von der DKMS kontaktiert und auch um
eine Blutentnahme beim Hausarzt gebeten.
DNA passt
Nach ein paar Tagen erhielt ich die Nachricht, dass
meine DNA mit der DNA des Stammzellenempfängers übereinstimmt. Daraufhin wurde
ich in ein Stammzellenzentrum gebeten. Ich bekam eine Ansprechpartnerin zugeteilt,
die sich um die Anreise, notwendige Hotelübernachtungen, Verdienstausfall etc.
kümmerte.
Der Termin im Stammzellenzentrum war etwa vier Wochen nach dem ersten Kontakt. Ich wurde
dort komplett untersucht und in einem ausführlichen Arztgespräch über zwei
verschiedene Möglichkeiten eine Spende aufgeklärt: Es kommt eine periphere
Stammzellenspende über eine Bluttransfusion infrage, oder die Stammzellenentnahme
aus dem Beckenkamm.
Bruder wird
Ersatzspender
In etwa 90 % der Fälle wird die periphere
Stammzellenspende bevorzugt, so war´s auch bei mir. Nach den Untersuchungen
wurde ich für die Spende freigegeben. Mein Bruder wurde darum gebeten, sich
ebenfalls für eine Spende bereitzuhalten, falls in meinem Fall etwas nicht nach
Plan laufen sollte. Er war also der Ersatzspender.
Für einen Fremden
quälen?
Fünf Tage vor dem nun feststehenden Spendentermin
musste ich mir 2 x täglich das Medikament „Granocyte“ (Wachstumfaktoren)
subcutan spritzen. Im Vorfeld bekam ich bereits die Information, dass das
Medikament nicht immer so gut vertragen wird. Ich habe direkt am ersten Tag
starke Schmerzen im Lendenwirbel/ Hüftbereich und starke Kopfschmerzen
verspürt. Mir wurde aber ausreichend Paracetamol mitgegeben, so dass es
auszuhalten war.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich zum ersten Mal den
Gedanken gehabt, diese ganze Prozedur
nicht noch einmal für einen Fremden durchmachen zu wollen, sondern nur
noch für jemanden aus meiner Familie oder dem Bekanntenkreis.
Ich bin bereits am Tag vor der Spende angereist.
Wieder wurde alles von der DKMS-Koordinatorin gemanagt. Zudem durfte ich am Tag
der Spende eine Begleitperson mitbringen. Am Tag der Spende musste ich mir
ebenfalls noch eine doppelte Dosis Granocyte s.c. spritzen. Das Medikament
bewirkt im Grunde, dass vermehrt Stammzellen produziert und in die Blutbahn
ausgeschwemmt werden.
Nach einem guten Frühstück ging es dann um 8 Uhr
direkt los. Mir wurden zwei Zugänge gelegt, ähnlich einer Blutspende, und ich
wurde an das Gerät angeschlossen. Die Spende dauert in der Regel drei bis fünf
Stunden. In der Zeit ist man mobil eingeschränkt, jedoch kann man sich mit
Musik oder IPad beschäftigen. Während des ganzen Prozesses sind Ärzte und
pflegerisches Fachpersonal da, ich habe mich sehr gut versorgt gefühlt.
Endlich ein Mensch!
Nach der Spende sollte ich mich zwei Stunden lang
im Hotel auszuruhen. Man erhält am Nachmittag einen Anruf aus dem
Stammzellenzentrum, ob die Stammzellen gereicht haben oder ob man am nächsten
Tag nochmal wiederkommen muss. Ersteres war bei mir der Fall.
Als ich am nächsten Tag wieder zuhause war, wurde
ich nochmals telefonisch kontaktiert. Ich habe erste Informationen über den
Stammzellenempfänger erhalten. Damit die Privatsphäre für beide Parteien
gewährleistet ist, besteht zwei Jahre lang eine Kontaktsperre. Mir wurden nur
die folgenden Informationen gegeben: männlich, über 30 Jahre, wohnhaft in den
USA.
Es sind nur diese drei Informationen. Jedoch
verspürte ich in dem Moment, als ich das hörte, eine unglaubliche Freude, eine
Nähe zu dem Empfänger und Dankbarkeit, einem Menschen hoffentlich das Leben
retten zu können. In diesem Moment war für mich klar, dass ich das jederzeit
wieder tun würde, auch wenn die Phase der Medikamenteneinnahme nicht angenehm
war.
DNA-Zwilling soll gesund
werden
Meine Stammzellen wurden eingefroren und in die USA
transportiert. Ich habe die Mitteilung erhalten, dass die Stammzellen dem
Empfänger verabreicht worden sind. Nun werde ich über die DKMS in gewissen
Abständen über den Gesundheitszustand des Empfängers informiert. Ich bin für
zwei weitere Jahre ausschließlich für diesen Empfänger reserviert.
Ich möchte meine Erfahrungen niemals missen und
hoffe sehr, dass der Stammzellenempfänger, mein DNA Zwilling, dadurch gesund
wird und ich ihn irgendwann persönlich kennenlernen darf.
Mund auf gegen
Blutkrebs
Über ein Online
Formular der DKMS kann sich jeder ein Registrierungsset ganz bequem nach Hause
schicken lassen. Mit dem beigefügten Wattestäbchen wird ein Abstrich der
Wangenschleimhaut entnommen. Dieses wird samt unterschriebener Einwilligungserklärung
an das Labor der DKMS geschickt. Nach der Registrierung wertet die DKMS die
relevanten Gewebemerkmale im Labor aus und stellt anschließend das Ergebnis der
Probe pseudonymisiert für den weltweiten Patientensuchlauf zur Verfügung. Infos
hier: https://www.dkms.de/faq